Junge Welt 14.01.2010

Schuldenberge

An Griechenland ein Exempel statuieren

Rainer Rupp
 
Der De-facto-Staatsbankrott des angeblich superreichen Emirats Dubai hat jüngst dazu Anlaß gegeben, auch die unsicheren Kandidaten in der Euro-Zone genauer unter die Lupe zu nehmen. Neben Griechenland blieben Irland, Portugal, Italien und Spanien im Raster hängen. Selbst die britische Staatsschuld gilt längst nicht mehr als sicher. All diese Länder weisen massive Haushaltsdefizite auf und gigantische Schuldenberge. Zugleich stecken sie tief in der Finanz- und Wirtschaftskrise und haben im Vergleich zu Deutschland noch geringere Hoffnungen auf eine wirtschaftliche Erholung. Das schwächste Glied dieser Kette ist ohne Zweifel die Wiege der westlichen Demokratie. Die neue Regierung in Athen geht mit ganz undemokratischen Mitteln jetzt unter dem Druck der EU daran, entgegen ihrer Wahlversprechen, die lohnabhängige Bevölkerung Griechenlands für die von den neoliberalen Bankstern verursachte Krise bezahlen zu lassen

Kurz vor Weihnachten hatten die drei großen internationalen Rating-Agenturen, die u. a. die Güte von Staatsanleihen und die Aussicht auf deren Rückzahlung einschätzen, Griechenland dramatisch schlechter bewertet. Damit ist die Hellenische Republik nur noch einen Schritt davon entfernt, daß ihre Schatzbriefe von den großen institutionellen Anlegern wie Pensionsfonds oder Versicherungen wegen der damit verbundenen Unsicherheit nicht mehr gekauft werden dürfen. Griechenland bekommt schon heute zunehmend Schwierigkeiten, Käufer für seine Schatzbriefe zu finden, und wenn, dann nur zu viel höheren Zinsen, die ohnehin nur noch bezahlt werden können, indem das Land weiter Schulden macht. Laut der griechischen Zentralbank belaufen sich derzeit die Verpflichtungen bei ausländischen Kreditgebern auf 403 Milliarden Euro bzw. 168 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Zugleich muß das Finanzministerium in diesem Jahr mindestens 56 Milliarden Euro zusätzlicher Gelder auf den internationalen Finanzmärkten finden, um alte Zinsen und fällige Schulden zu zahlen.

Der größte Bedarf an neuen Geldern und somit die größte Gefahr für Griechenlands Zahlungsunfähigkeit besteht in den Monaten Mai/Juni. Angesichts dieser Entwicklung hat der Euro in den letzten Wochen zunehmend Schwächen gezeigt, nicht nur gegenüber dem Dollar, sondern noch stärker gegenüber dem Schweizer Franken und der Krisenwährung Gold. Hilfe von der EU kann Athen nicht erwarten. Jürgen Stark, Chefökonom der Europäischen Zentralbank, betonte jüngst, daß Griechenlands Probleme hausgemacht seien und es nach EU-Recht keine Möglichkeiten gebe, dem Staat mit Finanzmitteln unter die Arme zu greifen. Auch Finanzminister Wolfgang Schäuble betonte, Griechenland müsse »seinen eigenen Weg« aus der Krise finden. Und Volker Wissing, Vorsitzender der Finanzausschusses im Bundestag, sagte klar und deutlich, daß »Deutschland die griechische Schuldenlast nicht übernehmen wird«.

Wenn keine Hilfe kommt, dann dürfte das den Austritt Griechenlands aus dem Euro-Währungssystem zur Folge haben. Weitere geschwächte EU-Kandidaten für den Staatsbankrott könnten folgen. Der Euro müßte dann auf der Grundlage der verkleinerten Euro-Zone neu bewertet werden. Nach einigen heftigen Tumulten auf den Währungsmärkten ist zu erwarten, daß sich der neue Euro wieder stabilisiert und gestärkt aus der Krise hervorgeht. Länder, die anders als Deutschland ihre Wettbewerbsfähigkeit nicht durch Kürzung der Löhne und sozialen Leistungen verbessert haben, müßten dann im gemeinsamen Währungskorb nicht mehr mitgeschleppt werden. Das ist das Kalkül, das laut Meldungen in FDP- und CSU-Kreisen bereits ganz offen diskutiert wird. Deshalb soll an Griechenland ein Exempel statuiert werden. Athen bleibt daher nur die Alternative, sich entweder dem neoliberalen Diktat Brüssels und des Internationalen Währungsfonds zu unterwerfen oder den Euro aufzugeben und sich wieder auf seinen nationalen Wirtschafts- und Sozialraum zu besinnen. Der ist die letzte Verteidigungslinie gegen den globalen Neoliberalismus.

Quelle: http://www.jungewelt.de/2010/01-14/044.php