Nicht hart genug

Hintergrund: Wer ist Liu Xiaobo?

Von Domenico Losurdo
 
Einige Tage nach der Zuerkennung des Friedensnobelpreises an Liu Xiaobo hatte die westliche Presse ihre Leser immer noch nicht über die Ideen, die er vertritt, informiert. Aus gutem Grund! Der Friedensnobelpreis wurde einem Nostalgiker der Kolonisation verliehen, der in der Ausradierung seiner eigenen Kultur durch westliche Armeen nur Gutes sieht.

1988 erklärte Liu Xiaobo in einem Interview, China benötige 300 Jahre kolonialer Herrschaft, um ein gesittetes Land zu werden, gemeint war offenbar ein Land westlichen Typs. 2007 bekräftigte er seine These und beschwor eine radikale Privatisierung der gesamten chinesischen Wirtschaft.
Ich entnehme diese Informationen einem Artikel von Barry Sautman und Yan Harong, der in der South China Morning Post (Hongkong) am 12. Oktober veröffentlicht wurde, einer Zeitung, die schwerlich als den Positionen Pekings nahestehend bezeichnet werden kann. Im Gegenteil, im selben Artikel wird die chinesische Regierung dafür kritisiert, daß sie eine Meinung, wie „schändlich“ sie auch sei, mit einer Gefängnisstrafe belege anstatt die Kritik aufzugreifen.

Ich möchte dazu einige Betrachtungen anstellen: Man kann selbst in den westlichen historischen Handbüchern lesen, daß mit den Opiumkriegen die tragischste Periode in der Geschichte Chinas begann: ein Land einer sehr alten Zivilisation wurde im Sinne des Wortes „gekreuzigt“, schreiben bedeutende Historiker; am Ende des 19. Jahrhunderts wurde der massenhafte Hungertod dort eine alltägliche und banale Angelegenheit. Laut Liu Xiaobo aber war diese Kolonialperiode nicht hart genug; sie hätte dreimal härter sein müssen!

Das mindeste, was dazu gesagt werden kann, ist, daß wir es hier mit einer Art von „Leugnung“ zu tun haben. Der Westen zögert nicht, „Leugner“ der Schandtaten, die am jüdischen Volk begangen wurden, zu inhaftieren, erkennt aber den „Friedensnobelpreis“ „Leugnern“ der Schändlichkeiten zu, die über lange Zeit durch den Kolonialismus dem chinesischen Volk zugefügt wurden! Leider verhält sich die Linke nicht viel anders, jene Linke, die sich davor hütete, die seinerzeitige Verhaftung David Irvings und anderer Vertreter derselben Strömung, die noch im Gefängnis sind, zu verurteilen, die aber jetzt Loblieder auf Liu Xiaobo singt.

Liu Xiaobo beschränkte sich allerdings nicht darauf, seine Meinungen zum Ausdruck zu bringen, seien sie auch „schändlich“ (wie die South China Morning Post meinte). Nachdem er 1988 drei Jahrhunderte kolonialer Herrschaft in China herbeigerufen hatte, kehrte er ein Jahr später in aller Eile (auf eigene Initiative?) aus den USA nach China zurück, um an der Revolte auf dem Tienanmen-Platz teilzunehmen und seinen Traum zu verwirklichen.

Es handelt sich um einen Traum, für dessen Verwirklichung er weiter arbeiten wollte, wie sein Jubel (in einem Interview 2006 mit einem schwedischen Journalisten) über den US-Krieg für den Demokratieexport in den Irak zeigt. Wie man sehen kann, handelt es sich um jemanden, der direkt die koloniale Herrschaft für sein Land und indirekt einen Angriffskrieg beschwört. Sein Traum hat ihm zu gleicher Zeit die Haft in einem chinesischen Gefängnis und den „Friedensnobelpreis“ eingetragen.

Übersetzung: Arnold Schölzel

Quelle: http://www.jungewelt.de/2010/12-10/035.php