junge Welt   08.01.2010

Schmutziger Krieg

US-Angriffe in Pakistan fordern immer mehr Todesopfer

Von Knut Mellenthin
 
In Pakistan nehmen die Proteste gegen die Drohnenangriffe zu, so hier am 2. Januar in Karatschi

Nach den US-amerikanischen Drohnen-Angriffen vom Mittwoch auf ein Bergdorf in Nordwestpakistan hat sich die Zahl der Todesopfer auf mindestens 17 erhöht. Ein höherer Beamter der Regionalverwaltung teilte gegenüber der Presse mit, daß die wirkliche Zahl der Toten vermutlich zwischen 20 und 25 liege. Zunächst hatte ein unbemannter Flugkörper um etwa 3.30 Uhr Ortszeit mehrere Raketen auf ein Gebäude abgeschossen, das angeblich ein »Ausbildungslager« von Aufständischen gewesen sein soll. Etwa eine Stunde später folgte ein zweiter Drohnen-Angriff auf die Helfer, die gerade dabei waren, Überlebende und Tote zu bergen.

Ziel der Angriffe war eine Ortschaft in Nordwasiristan, einer Verwaltungseinheit der sogenannten Stammesgebiete. Solche Aktionen der US-Truppen werden in deutschen Medien kaum noch registriert, und selbst in den USA hat man sich an solche Nachrichten offenbar schon so gewöhnt, daß die Übersicht verloren gegangen ist. So schrieb die New York Times am Mittwoch auf ihrer Internetseite, es habe sich bei den Angriffen vom Mittwoch um die ersten seit dem 30. Dezember, dem Tag des Anschlags auf eine CIA-Filiale in der ostafghanischen Provinz Khost, gehandelt. Tatsächlich waren es jedoch schon der vierte und fünfte Angriff seit jenem Tag. Am 31. Dezember starben vier Menschen durch zwei Raketen, die auf ein Haus im Dorf Machikhel abgeschossen wurden. Beim ersten Drohnenangriff des neuen Jahres wurden am 1. Januar mindestens drei Menschen getötet, die in einem Fahrzeug unterwegs waren. Am 4. Januar gab es mindestens fünf Tote beim Beschuß eines Hauses im Dorf Mosaki, darunter der Hausbesitzer, sein Sohn und sein Enkel. Der Angriff galt offenbar dem Sohn, einem Lehrer, dem vorgeworfen wurde, er habe Verbindungen zu »ausländischen Kämpfern« gehabt.

Im Dezember 2009 hatte es in Nordwasiristan insgesamt sieben Drohnenattacken mit mindestens 44 Toten gegeben. Beim schwersten der Angriffe wurden am 26. Dezember im Dorf Saidgai mindestens 14 Bewohner getötet. Es handelte sich um Teilnehmer eines Festessens, die aus mehreren Dörfern zusammengekommen waren. Ziel der US-amerikanischen Militäraktionen gegen Nordwasiristan ist offenbar, einen Bruch des Waffenstillstands zwischen den örtlichen Taliban und der pakistanischen Armee zu provozieren.

Gesteuert werden die Drohnenangriffe vom Auslandsgeheimdienst CIA. Getötet werden dabei hauptsächlich Menschen in Wohnhäusern. Überwiegend handelt es sich bei den Angegriffenen um einfache bewaffnete Stammesangehörige, die mit ihren Familien zusammenleben. Da die hinter den Drohnenangriffen stehende Strategie hauptsächlich darauf abzielt, möglichst viele Menschen zu töten oder wenigstens schwer zu verletzen, nutzt die CIA gern kollektive Ereignisse aus. Das sind hauptsächlich gemeinsame Essen aus festlichem Anlaß, oft an religiösen Feiertagen, oder auch Beerdigungen. Auf Nichtkombattanten, die bei solchen Ereignissen in großer Zahl anwesend sind, wird dabei keine Rücksicht genommen.

Um ihre Ziele zu definieren, sind die CIA-Leute auf Informanten angewiesen. Darunter befinden sich jedoch auch solche Personen wie der Attentäter, der am 31. Dezember in der afghanischen Drohnensteuerungszentrale Forward Operating Base Chapman bei einem Anschlag sieben Agenten mit sich in den Tod riß. Seine Auftraggeber hatten ihm so vertraut, daß er den Stützpunkt unkontrolliert betreten durfte. Seine Glaubwürdigkeit hatte er zuvor durch »wertvolle Tips« erworben. Derartige Informanten benennen als Ziele natürlich Personen, die aus Sicht ihrer politischen Führung entbehrlich sind: Unbeteiligte, vielleicht sogar Gegner, und gelegentlich als Bauernopfer ein paar »low level fighter«.

Quelle: http://www.jungewelt.de/2010/01-08/034.php